Leise, still und heimlich ist High Flying bei Netflix aufgetaucht: Der neue Film von Steven Soderbergh, wieder mit dem iPhone aufgenommen. Es geht um Basketball – und doch viel mehr.
Da sitzen sie in einem Café in New York: Spieleragent Ray Burke (André Holland) und sein Klient Erick (Melvin Gregg). Sie reden über Geld. Es ist Lockout in der NBA, es wird gestreikt. Die Spielergewerkschaft fordert mehr Geld für die Spieler, die Besitzer der Teams weigern sich, von der bisherigen 50/50-Regelung abzuweichen. Also wird nicht gespielt. Und da es Ericks erste Saison ist, hat der Rookie – ein Draft-Pick Nr. 1 – zwar einen Vertrag, aber kein Geld.
Ray bleibt indes äußerlich gelassen. Auch er hat im Moment keine Einnahmen, aber er weiß, dass der Lockout früher oder später vorbei geht. Und er hat Rücklagen. Doch um ihn herum werden alle nervöser, seine kluge Assistentin Sam (Zazie Beetz) wird jemandem anders zugeteilt, er muss beim Chef (Zachary Quinto) vorstellig werden. Der Druck erhöht sich, zumal er von der Vertreterin der Spielergewerkschaft Myra (Sonja Sohn) erfährt, dass die Besitzer die Einigung verzögern, weil sie wiederum mit den Fernsehanstalten verhandeln wollen. Alle wollen mehr Geld, keiner will mehr zahlen. Etwas muss also geschehen.
Dass Soderberg in High Flying Bird wie im Vorgänger Unsane wieder mit dem Handy gedreht hat, ist visuell kaum bemerkenswert. Bisweilen gibt es eine große Nähe oder absichtlich verzerrte Weitwinkelaufnahmen, aber im Tempo der Inszenierung, in dem fast schon obligatorischen Rückblick nach dem Clou ist Soderbergh grundsätzlich weit mehr bei Logan Lucky als bei Unsane – glücklicherweise.
Dazu trägt vor allem das sehr kluge Drehbuch von Tarell Alvin McCraney bei, das sehr deutlich macht, worum es im professionellen Basketball wie in jeder anderen Sportart geht: um Geld. Es ist ein Geschäft, an dem viele verdienen wollen und viele verdienen. Aber es ist auch ein Geschäft, in dem die hoffnungsvolle Karriere eines jungen Menschen an einer Knöchelverletzung scheitern kann. Oder an einer falschen Entscheidung. Deshalb wird hier zwar bisweilen gerade von den Spielern die Liebe zum Spiel beschworen, aber das Drehbuch arbeitet sehr clever heraus, worum es noch geht: Es ist ein Spiel, das Schwarze Amerikaner groß gemacht haben und in dem Weiße das Sagen und die Kontrolle haben, seit sie gemerkt haben, dass sich damit Geld verdienen lässt. Beständig wird auf die Geschichte des Basketballs angespielt. Es war der große Erfolg der Harlem Globetrotters, durch den klar wurde, dass Afroamerikaner dieses Spiel besser spielen – und deshalb haben sie angefangen, sie zu integrieren. Oder wie es der weise Trainer Spencer (Bill Duke) formuliert: „They invented a game on top of a game“.
Wie weit diese Kommerzialisierung mittlerweile fortgeschritten ist und wie sehr sie von allen Beteiligten verinnerlicht wurde, zeigt sich an einem Satz, der stets wiederholt wird: Wenn man in Spencers Gegenwart das System des professionellen Basketballs mit Begriffen aus dem Sklavenhandel verbindet, muss man „I love the lord and all his black people“ sagen. Und dieser Satz fällt wirklich häufig in diesem Film, der aufdeckt, wie falsch manche Offensichtlichkeiten und scheinbare Selbstverständlichkeiten sind.
Aber High Flying Bird bleibt nicht bei dieser Bestandsaufnahme, sondern zeigt auch einen möglichen Ausweg: Denn längst verändern sich die Distributionswege auch des Sports, dadurch wird Einfluss neu verteilt – und die Regeln können sich ändern. Allerdings braucht man dafür mutige Menschen, die nicht am Status quo interessiert sind. Es geht um Geld, Race und soziale Gerechtigkeit, es geht aber auch um Persönlichkeitsrechte – gerade in unserem Zeitalter. Wer sollte daran verdienen, wenn ein Spieler ein Selfie auf Instagram postet: der Spieler oder die NBA? Das ist nur eine Frage, die in diesem vielschichtigen, hochmodernen und großartig gespielten Sportfilm verhandelt wird. Und da passt dann doch wieder, dass er mit einem iPhone gedreht wurde und nun bei Netflix läuft. Kein Film hat daraus bisher mehr gemacht — wenngleich High Flying Bird ganz altmodisch mit dem Hinweis auf ein Buch endet, das man dann unbedingt hinterher lesen will. Welches das ist, wird aber nicht verraten.